Januar 2020: Hochwasser in Beuel
Rheinanlieger sind seit Menschengedenken von Hochwasser bedroht. Eine solche Überschwemmung zeigt die Fotografie vom 1. Januar 1926. Der Fotograf stand auf der Beueler Rampe der Rheinbrücke, sein Blick ging entlang der Rheinaustraße nach Süden. Links das prächtige barocke Mehlem’sche Haus, 1785 errichtet vom seinerzeitigen Betreiber der Bonn-Beueler Fähre, Johannes Paul Mehlem, und seiner Frau Elisabeth Stammels anstelle ihres durch das Hochwasser von 1784 zerstörten Anwesens. Schräg gegenüber eine Gaststätte, die für „Dortmunder u. Kulmbacher Bier“ sowie für „Reine Weine“ warb. Über den gesamten Verlauf der Rheinaustraße hinweg sind hölzerne Stege aufgebaut, auf denen sich Beuelerinnen und Beueler - darunter viele junge Leute - im Sonntagsstaat, es ist der Neujahrsmorgen, vorwärts bewegen.
Begonnen hatte das Hochwasser im Laufe des 30. Dezembers, an jenem 1. Januar 1926 erreichte es seinen Höchststand. Überhaupt galt diese Überschwemmung an der Jahreswende 1925/26 als Jahrhunderthochwasser, erst 1993 wurde in Bonn noch einmal ein höherer Pegelstand gemessen.
Auch in vielen anderen Ländern kam es seinerzeit zu entsprechenden Katastrophen; der Generalanzeiger titelte: „Schneeschmelze, Wolkenbrüche und Stürme – In ganz Europa sind die Flüsse aus den Ufern getreten.“ Ausführlich beschrieben hat dieses Hochwasser, zum Teil noch aus eigenem Erleben, Gerhard Schmitz in seinem Buch Hochwasser in Beuel und Bonn von 1794 bis 1995, erschienen Bonn 1995.
Beim Fotograf handelte es sich übrigens um Joseph Bertram Breuer (1880 bis 1945). Breuer war nach seiner Buchbinderlehre in den Dienst der Stadt Bonn getreten, unter anderem war er als Fotograf für das Tiefbauamt tätig.
Februar 2020: 200 Jahre Studentenverbindung „Corps Guestphalia Bonn“
Die Studentenverbindung „Corps Guestphalia Bonn“ feiert dieses Jahr ihren 200. Geburtstag. Zwei Jahre nach Eröffnung der Bonner Universität, also im Jahre 1820 gegründet, ist sie die zweitälteste Studentenverbindung Bonns. Während der Kaiserzeit hatten Studentencorps in Bonn großes Ansehen und erlebten einen regelrecht gesellschaftlichen Aufstieg: Der Corpstudent wurde zum Idealbild des Wilhelminischen Bildungsbürgers. Während in den Jahren des Ersten Weltkriegs der Corpsbetrieb durchweg nicht stattfand, wurde während der Besatzungszeit das Verbindungshaus beschlagnahmt und als englisches Offizierskasino genutzt.
Die hochformartige Ansichtskarte mit den Maßen 14 x 9 cm ist sehr gut erhalten. Der Bonner Stempel vom 25. Juli 1898 weist sie als „gelaufen“ aus und der Eingangsstempel ist auf den 26. Juli 1898 in Dortmund datiert – als Empfängerin ist das „hochwohlgeborene“ Fräulein Else Berminghaus angegeben.
Entsprechend der postalischen Vorgabe früher Postkarten ist die Vorderseite ausschließlich für die Adresse vorgesehen, während die Rückseite neben einer bildlichen Darstellung noch Platz zum Versenden einer Nachricht bietet. Erst im Jahre 1905 wurde in Deutschland die Anschriftenseite geteilt und die Nachricht stand nunmehr neben dem Adressaten, um der Bildseite noch mehr Raum geben zu können.
Die Postkarte stammt aus der bekannten Druckerei J.C. König & Eberhardt in Hannover und ist eine Farblithographie. Sie zeigt drei verschiedene Szenen: Oben links dominiert durch die Farbgebung das Corpswappen der Guestphalia mit Helm und Helmzier, darunter das Wappen in den Vereinsfarben grün-weiß-schwarz mit dem Wahlspruch, Waffenspruch und Zirkel. Die Guestphalia mit ihren beiden Wahlsprüchen „Neminem time, neminem laede!“ (Fürchte niemanden, verletze niemanden“) und „Gloria virtutis comes!“ (Der Ruhm ist der Begleiter der Tapferkeit) ist eine schlagende Verbindung, deren Waffenspruch lautet: „Gladius ultor noster!“ (Das Schwert, unser Rächer!)
Die Szene rechts neben dem Wappen zeigt die mit Fahnen geschmückte Fassade des ersten Verbindungshaus der Guestphalia, das sich seit 1894 an der Baumschulallee 22 befand. Dort sind zwei Corpstudenten mit Mützen und Schlägern sowie eine Dame und ein Hund dargestellt. Unter dieser Szene sieht man eine Abbildung des obligatorischen Kneipsaals des Vereinshauses mit Butzenscheiben und altdeutscher Einrichtung. Das heutige Vereinshaus des Corps befindet sich übrigens in der Wilhelmstraße 50.
März 2020: August Wilhelm von Schlegel - 175. Todestag
August Wilhelm von Schlegel, einer der wichtigsten deutschen Romantiker, wurde am 8. September 1767 in Hannover geboren, lebte seit 1819 in Bonn und starb dort am 12. Mai 1845, wo er auf dem Alten Friedhof begraben wurde.
Schlegel war nicht nur einer der renommiertesten Gründungsprofessoren der 1818 wiederbegründeten Universität Bonn, sondern auch einer der ersten Dekane der Philosophischen Fakultät; im Jahre 1824 wurde er zum Bonner Universitäts-Rektor ernannt. Drei Jahrzehnte war er insgesamt in Bonn als „professor litterarum elegantiorum“ tätig. Mit seiner Wahl für Bonn, entschied er sich ganz bewusst gegen die Universität Berlin, die ihm zur gleichen Zeit eine Professur anbot.
Als erster deutscher Lehrstuhlinhaber für Indologie, machte Schlegel als dessen Gründungsvater in Deutschland die Sanskrit-Literatur von Bonn aus bekannt. Außerdem war er einer der wichtigsten Vertreter der neuen Literaturgeschichte (klassische und romantische Literatur), so dass er entscheidend zur Entstehung der Romanistik beitrug - im deutschsprachigen Raum gilt Schlegel als Begründer der Literaturkritik.
Des Weiteren gehört er neben Wilhelm von Humboldt und Franz Bopp zu den Begründern der Komparatistik - der vergleichenden Sprachwissenschaft und gilt als wichtigster Sprachphilosoph der deutschen Frühromantik. Hinzu kommen noch seine bekannten und bis heute prägenden Shakespeareübersetzungen. Zwar verfasste Schlegel auch Sonette, Balladen und Dramen, hatte allerdings als Dichter keinen Erfolg.
Schlegels ausgesprochene Vielseitigkeit und sein weiter Einfluss erstreckten sich auf fast alle geisteswissenschaftlichen Bereiche. Er gilt - neben seinem Bruder Friedrich, Novalis, Tieck und Schelling - als wichtigster Initiator der literarischen Romantik in Deutschland. Indem er das Fundament für eine literarische Strömung legte, die das 1. Drittel des 19. Jahrhunderts beherrschte und auch dann noch nachwirkte, ging die Popularisierung der romantischen Ideen über den deutschsprachigen Raum weit hinaus und verbreitete sich in ganz Europa, wo sein Name als Synonym für die Opposition gegen den Klassizismus galt. Schlegel war mit den wichtigsten Personen seiner Zeit bekannt - u.a. mit Madame de Staël, Fichte, Goethe, Herder, Wieland, Schiller, Schleiermacher, Hegel und J. Grimm.
In Bonn war Schlegel außerdem Mitbegründer von zwei wichtigen Bonner Museen, deren Leitung er zeitweise innehatte: nämlich die Antikensammlung der Universität, die als Akademisches Kunstmuseum Bonns ältestes Museum ist, und das „Museum Rheinisch-Westfälischer Altertümer“ (später Provinzialmuseum und heute LVR-Landes-Museum). Er soll außerdem, als Präsident des 1835 gegründeten „Bonner Vereins für Beethovens Monument“, den heutigen Standort des Beethoven-Denkmals am Münsterplatz vorgeschlagen haben.
In Bonn war Schlegel außerordentlich bekannt – ja eine Berühmtheit: Seine Seminare waren die am besten besuchten, wie wir von Heinrich Heine wissen, der 1819/20 sein Schüler war. Teilweise wurde er aufgrund seines Dandytums belächelt bis verspottet: Er trug nach französischer Manier weiße Glacéhandschuhe und modische Pariser Anzüge und parfümierte sich. Mit eigener vierspänniger Kutsche – nebst Diener in Livree – fuhr er vor, wobei er in einer 12-Zimmer Villa in der Sandkaule 529 (heute Sandkaule 13: „Clouth‘sches Haus“) residierte, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts zu den größten Privathäusern Bonns gehörte. Der Umstand, dass er sich noch zu Lebzeiten sein Grabmal entwerfen ließ, rief ebenfalls Spott hervor. Neben seinem preußischen Adelstitel, den Schlegel 1812 erhielt, verdeutlicht seine Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion in Paris sowie die Verleihung des Ordens „Pour le Mérite“ in Berlin seine internationale Wertschätzung.
Das Schlegel-Porträt (DA06_4734) aus der Grafischen Sammlung misst 38 x 28,3 cm und ist eine Lithographie von P. Bausch, die gegen 1860 entstand; sie wurde von der renommierten Bonner Druckerei Henry & Cohen gedruckt. Das Stadtarchiv besitzt darüber hinaus noch mehr Grafiken mit Porträts von Schlegel sowie Erinnerungsblätter. Des Weiteren verwahrt das Stadtarchiv Korrespondenz von Schlegel mit den Philologen Christian August Brandis und Friedrich Christian Dietz sowie mit dem Architekten Karl Friedrich Schinkel und dem Germanisten Eberhard Groote.
April 2020: Kommersbuch Aennchen Schumacher
Aennchen Schumacher war eine bei Studenten beliebte Gastwirtin und wurde auch gerne „Lindenwirtin“ genannt. Sie sammelte für ihre eigene Liedersammlung Liedgut, das in einem Kommersbuch zusammengetragen wurde. Kommersbücher sind Liederbücher, die von Studentenverbindungen für Kneipen, eine traditionelle Studentenfeier, und Kommerse, eine offizielle Feier, genutzt wurden. Das Liedgut wurde ursprünglich nur mündlich oder handschriftlich weitergegeben.
Die älteste Sammlung von Liedern der Studentenverbindungen ist die „Niederrheinische Liederhandschrift“ von 1574, das erste gedruckte Liederbuch „Studentenlieder“ erschien 1781 in Halle und stammt von Christian Wilhelm Kindleben. Das heute bekannteste Kommersbuch, das „Allgemeine Deutsche Kommersbuch“, wurde 1858 zum 300-jährigen Bestehen der Universität Jena veröffentlicht. Die Brüder Moritz und Hermann Schauenburg gründeten einen Verlag und schrieben alle deutschen Universitäten an, um zu erfahren, welche Lieder die beliebtesten unter den Studenten waren. In der aktuellsten 166. Ausgabe von 2013 (Stand 17.03.2020) sind auf 780 Seiten 716 Lieder verzeichnet. Dabei werden die Lieder nicht als reine Texte wiedergegeben, sondern als Notenpartitur angezeigt.
Der Einband eines Kommersbuchs ist häufig mit Biernägeln versehen. Diese erhöhten Ziernägel sollen verhindern, dass das Buch mit verschüttetem Alkohol in Berührung kommt, wenn es flach auf dem Tisch liegt. Auch das Kommersbuch von Aennchen Schumacher hat solche Biernägel. Vorne auf dem Einband ist ein Bild der Godesburg zu sehen, das Titelbild zeigt eine Perspektive, welche die Godesburg und den Drachenfels zeigt, einen Baum, der die einzelnen Farben der regionalen Studentenverbindungen trägt und die Gaststätte von Aennchen Schumacher.
Auf 412 Seiten werden 465 Lieder wiedergegeben, alle mit Notenpartitur. Zwischen den Liedern befinden sich auf mehreren Seiten Bilder der Studentenverbindungen. Der Journalist, Schriftsteller und Politiker Josef Buchhorn beschreibt auf den ersten zwei Seiten seine Studentenzeit in Bonn. In Gedichtform preist er das Studentenleben an der Bonner Universität, den Rhein, Godesberg und natürlich Aennchen - „Freundin allen und Mutter und – Führerin vor allen durch das Labyrinth des jungen Suchens und Sehnens. In Rat und Tat…“ - sowie die Einheit aller Studentenverbindungen in der Gaststätte bei Aennchen.
Mai 2020: Haribo-Reklametafel
Das Stadtarchiv Bonn besitzt eine Reklametafel des Weltkonzerns Haribo, dessen Firmensitz sich von 1920 bis 2018 in Bonn befand. Hierbei handelt es sich um eine ausklappbare, vierteilige Mappe mit den Maßen 40 cm x 25 cm, in geschlossenem Zustand, die aus den fünfziger Jahren stammt. Die Tafel wurde wohl von Vertretern der Firma Haribo verwendet, um den Händlern deren Produkte „schmackhaft“ zu machen.
Besonders interessant an dieser Werbetafel ist, dass das heute bekannteste Produkt von Haribo, nämlich der weltberühmte „Goldbär“ (heute Synonym für Fruchtgummi) in den fünfziger Jahren noch gar nicht das Aushängeschild für Haribo war: Stattdessen sieht man auf der Frontseite der Mappe ein Männchen in Form einer Lakritzstange, zudem wirbt Haribo mit dem Slogan „Haribo Lakritzen Bonn“.
Das Gummibärchen wurde im Jahre 1922 von Hans Riegel erfunden und nannte sich damals noch „Tanzbär“; dieser war größer als das heutige Kultobjekt. In den dreißiger Jahren tauchte dann der kleinere und rundlichere „Teddybär“ auf, bevor er seit 1960 unter der Bezeichnung „Goldbär“ bekannt wurde. So läuft auch der heutige Haribo-Star auf dieser Tafel noch unter der Artikelnummer 301 als Teddybär, der schon für 1 Pfennig zu haben war. Des Weiteren gab es in einem Beutel abgepackte Teddybären für 50 Pfennig zu kaufen und für den Preis von 1 DM ein mit Teddybären gefülltes Plastikschiff.
Haribo produziert täglich rund 100 Millionen „Goldbären“ (Stand 2005), während die „Mohrenköpfe am Stil“ und die „Lakritz-Zigaretten“ im Laufe der Zeit ausgemustert worden sind.
Juni 2020: Die Einrichtung von Bezirksausschüssen in der neuen Stadt Bonn
Am 13. Mai 1969 verabschiedete der Landtag das Gesetz zur kommunalen Neugliederung des Raumes Bonn, am 10. Juni 1969 wurde es von der Landesregierung unterzeichnet und trat am 1. August 1969 in Kraft (vorgesehen war der 1. Juli 1969). Dieses Gesetz beschloss die Zusammenlegung der Städte Bonn, Beuel und Bad Godesberg sowie der Gemeinden Duisdorf, Lengsdorf, Ippendorf, Lessenich, Röttgen, Buschdorf, Holzlar, Oberkassel und dem Ortsteil Hoholz zu einer kreisfreien Gesamtstadt.
In Anlage 1 des Gesetzes wurden durch den Regierungspräsidenten Köln u.a. weitere Einzelheiten bestimmt, wie die Einrichtung von Stadtbezirken, Bezirksausschüssen und Bezirksverwaltungsstellen:
„…Bestimmungen des Regierungspräsidenten in Köln über die aus Anlaß des Zusammenschlusses der Städte Beuel, Bad Godesberg und Bonn sowie der Gemeinden Buschdorf, Duisdorf, Holzlar, Ippendorf, Lengsdorf, Lessenich, Oberkassel und Röttgen sowie des Ortsteiles Hoholz der Gemeinde Stieldorf zu einer neuen Stadt und der Auflösung des Amtes Duisdorf zu regelnden Einzelheiten
11. a) Die Gebiete der bisherigen Städte Bonn, Bad Godesberg und Beuel - letztere einschließlich des Gebietes der Gemeinden Oberkassel und Holzlar sowie des Ortsteils Hoholz - bilden je einen Stadtbezirk der neuen Stadt Bonn. In diesen Stadtbezirken ist je ein Bezirksausschuß zu bilden. Der Bezirksausschuß besteht in Bonn aus 11, in Bad Godesberg aus 9 und in Beuel aus 7 Mitgliedern. Die Zusammensetzung der Bezirksausschüsse und die Wahl der Mitglieder der Bezirksausschüsse werden auf der Grundlage der Vorschriften des § 13 der Gemeindeordnung durch die Hauptsatzung der neuen Stadt Bonn geregelt. b) Der aus seiner Mitte zu wählende Vorsitzende des Bezirksausschusses führt die Bezeichnung "Vorsitzender des Stadtbezirksausschusses", eine andere Bezeichnung darf er nicht führen…
c) Für die Stadtbezirke Beuel und Bad Godesberg müssen Bezirksverwaltungsstellen eingerichtet werden. Der Rat der Stadt Bonn bestimmt durch die Hauptsatzung, ob auch in anderen Stadtbezirken Bezirksverwaltungsstellen eingerichtet werden sollen. Den Umfang und die Ausgestaltung der Bezirksverwaltungsstellen bestimmen die zuständigen Organe der neuen Stadt Bonn; das gilt auch für die Bezirksverwaltungsstellen in Beuel und Bad Godesberg. Hierbei ist auf das Interesse der Bevölkerung an der ortsnahen Erledigung von Verwaltungsgeschäften und auf eine wirtschaftliche und sparsame Verwaltungsorganisation Rücksicht zu nehmen. Köln, den 12. Mai 1969 Der Regierungspräsident…“ (NRW Gesetz- und Verordnungsblatt 1969, Nr. 27 Anlage 1 S. 243; https://recht.nrw.de).
Mit der Verabschiedung der Hauptsatzung durch den Rat der Stadt Bonn in seiner Sitzung vom 19. Februar 1970 wurden die genannten Bestimmungen ausdifferenziert. Die Bildung und Aufgabenbereiche der Bezirksausschüsse wurden festgelegt.
In § 3 der Hauptsatzung wurde das Stadtgebiet in acht Stadtbezirke eingeteilt:
„… a) Stadtbezirk Bonn; b) Stadtbezirk Bad Godesberg; c) Stadtbezirk Beuel (Stadtteile Beuel, Oberkassel, Holzlar und Hoholz); d) Stadtbezirk Hardtberg (Stadtteile Duisdorf und Lengsdorf); e) Stadtbezirk Buschdorf; f) Stadtbezirk lppendorf; g) Stadtbezirk Lessenich; h) Stadtbezirk Röttgen…“ Die Einrichtung von vier Bezirksausschüssen und deren Mitgliederzahl wurde in § 8 der Satzung, wie im Bonn-Gesetz formuliert, umgesetzt: Bonn (11 Mitglieder), Bad Godesberg (9), Beuel (7), Hardtberg (7).
Der Bezirksausschuss Hardtberg tagte erstmalig am 6. März 1970, der von Beuel am 11. März, Bonn am 18. März und Bad Godesberg am 24. März.
1974 wurde eine besondere Bezirkssatzung beschlossen und in der Hauptsatzung verankert, die die Kompetenzen der Ausschüsse bestärkte. Diese „Bezirksverfassung“ hatte Vorbildcharakter, denn die neue Gemeindeordnung (GO) von 1975 verpflichtete nun die kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen, ihr Gebiet in Stadtbezirke einzuteilen und Bezirksvertretungen zu bilden, damit Gemeindedemokratie und bürgernahe Verwaltung auch nach der Ausdehnung der Großstädte im Zuge der kommunalen Gebietsreform gewährleistet wurden.
Gleichzeitig wurden die Mitglieder der Bezirksausschüsse, die sich nun Bezirksvertretungen nannten, nicht mehr vom Rat bestimmt, sondern gewählt. Aus dem/der Vorsitzende/Vorsitzenden wurde die/der Bezirksvorsteherin/Bezirksvorsteher. Gleichzeitig wurden die Stadtbezirke von acht auf die heute bestehenden vier reduziert. 2008 schließlich wurden aus den Bezirksvorsteherinnen/Bezirksvorstehern die Bezirksbürgermeisterinnen/Bezirksbürgermeister (Ratssitzung vom 6. März 2008).
Verwaltungsbericht Bonn 1969-1975; 1975-1979; Niederschriften der Bezirksausschüsse (Pr9/848 (Beuel), Pr9/855 (Hardberg), Pr9/860 (Bonn), Pr9/1639 (Bad Godesberg); ZA 122/1, SN8 Nr. 189 Hauptsatzung, 1970.
Juli 2020: Das Leben mit einem Hund in Bonn
Hunde gehören auch in Bonn seit dem Beginn des städtischen Lebens vor über 2000 Jahren dazu. Als Zughunde, Wachhunde, Jagdhunde, Ratten- und Mäusefänger, aber auch als Begleit- und Schoßhunde treten sie in vielen Dokumenten - Akten, Bilder, Postkarten, Bücher, Zeitschriften- und Zeitungsartikeln - in der Sammlung des Stadtarchivs und der Stadthistorischen Bibliothek in Erscheinung.
Den Hund treffen wir mit dem Kurfürsten Clemens August als einen hübschen weißen Begleiter an, geschmückt mit einem breiten, mit den Initialen C.A. versehenen Halsband, mitten in einem Maskenball im Jahre 1754. Der Hund scheint Bonner Studenten im 19. Jahrhundert überall hin begleitet zu haben - Unigelände, Spaziergang, Ausflug und Ausritt - oder er zieht den schweren Karren für den Markthändler oder Handwerker hinter sich.
Einzelne Knochen des nachweislich ersten Haushundes der Menschheitsgeschichte wurden in einer 14.700 Jahre alten Grabanlage zusammen mit den Überresten einer Frau und eines Mannes in Bonn-Oberkassel im Jahr 1914 gefunden. 2013 fand eine genetische Untersuchung statt, und 2014 wurden an der Fundstelle ausführliche Ausgrabungen durchgeführt.
In Bonn leben heute etwa 1.320 angemeldete Hunde, ein Hund pro 100 Einwohner, deren Besitzer die jährliche Hundesteuer von 162 Euro bezahlen. Die wirkliche Zahl der Hunde ist vermutlich doppelt so hoch.
Als Neuzugang in der Sammlung der Stadthistorischen Bibliothek wird hier das 2020 erschienene Buch „Mit Hund durch Bonn: Touren – Geschichten – Tipps“ vorgestellt.
Der Autor hat für das Buch zusammen mit der Labradorhündin Frieda mehrere, auch stadthistorisch interessante Spaziergänge unternommen und alle Hunde-Freilaufflächen Bonns, fünf städtische und eine von einem Verein unterhaltene, getestet. Zudem blickt er in die Hundegeschichte des Stadtgebietes zurück und gibt viele Tipps für Bonner Hundehalterinnen und Hundehalter. Er kennt die Stellen am Rhein, an denen man den Hund im Wasser planschen lassen kann und die Lokale, in denen auch die Hunde als Gäste willkommen sind.
August 2020: Internationales Beethovenfest 1970
Das Internationale Beethovenfest, das anlässlich des 200. Geburtstags Ludwig van Beethovens gefeiert und von der Stadt Bonn und dem Verein Beethoven-Haus Bonn veranstaltet wurde, fand als erstes Beethovenfest dreiteilig statt - mit einem Mai-, September- und Dezemberzyklus. Dieses Beethovenfest, das als wohl großartigstes und bedeutendstes bezeichnet wurde, versammelte eine Vielzahl von berühmten Interpreten (Orchester, Dirigenten und Solisten) in Bonn.
Der Maizyklus begann am 2. Mai 1970 mit einem Sonatenabend von Wilhelm Kempff als Auftakt und endete am 8. Mai 1970. Dieser Zyklus stand ganz im Zeichen der Kammermusik und bot Auftritte von Wilhelm Kempff, Arturo Benedetti, Emil Gilels, Wolfgang Schneiderhan und dem Tschechischen Nonett Prag.
Für den darauffolgenden Septemberzyklus vom 12. bis zum 26. September hatte man Ensembles wie die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Karl Böhm (Beethovens 6. und 7. Symphonie), das Concertgebouworkest Amsterdam unter Eugen Jochum (Beethovens 4. und 5. Symphonie), das New Philharmonia Orchestra London (Beethovens 2. und 8. Symphonie) und die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Herbert Karajan inklusive dem Wiener Singverein (Beethovens 9. Symphonie) verpflichtet. Neben diesen Orchestern traten auch Solisten wie Nathan Milstein, Hans Richter-Haaser und Robert Casadeus auf. Auch in diesem Zyklus wurden Kammerkonzerte abgehalten, die allerdings anders als im Mai nicht im Vordergrund standen. Interpreten waren u.a. Max Rostal, Friedrich Palm, Geza Anda und Friedrich Gulda, welcher mit der Hammersonate und einer eigenen Variation von „Light my Fire“ der „The Doors“ auftrat.
Der Septemberzyklus wurde als Grundlage genommen, erstmals nach vielen Jahren wieder ein öffentliches Konzert auf dem Marktplatz aufzuführen. Auch Bad Godesberg wurde nach der Kommunalen Neugliederung im Jahr 1969 in die Planungen miteinbezogen. So fanden etwa Konzerte mit Heribert Beissel in der Redoute und dem Chur Cölschen Chor in der Godesberger Stadthalle statt. Auch der Bonner Münster wurde in die regen Konzertplanungen mit Beethovens Messe in C-Dur miteinbezogen. Neben diesen musikalischen Attraktionen gab es Veranstaltungen wie die „Internationalen Meisterkurse der staatlichen Hochschule für Musik“ sowie Tagungen der „Dramaturgischen Gesellschaft“ und der „Gesellschaft für Musikforschung“.
Der letzte Zyklus im Dezember lag wie der Zyklus im Mai im Zeichen der Kammermusik. Eröffnet wurde er am 11. Dezember mit der Oper „Fidelio“, geschlossen am 17. Dezember mit der „Missa Solemnis“. Zu den spielenden Interpreten gehörten u.a. Jörg Demus und Phillipe Entremont sowie der Verein Beethoven-Haus, der ein Sonderkonzert mit Beethovens letztem Flügel veranstaltete.
Die Festschrift „Beethoven im Mittelpunkt“ wurde vom damaligen Kulturdezernenten Dr. Gert Schroers herausgegeben. Sie befindet sich im Bestand der Stadthistorischen Bibliothek und beinhaltet neben entsprechender Bebilderung und einem Vorwort des Herausgebers einige Aufsätze über das Leben und Wirken Beethovens, über seine musikalische Entwicklung (verfasst von H.H. Stuckenschmidt), den Text „Beethovens Größe dargestellt an seinen Klaviersonaten“ (verfasst von Erwin Ratz) und Informationen betreffend Forschungen zu Ludwig van Beethoven (zusammenfasst von Josep Schmidt-Görg). Weiterhin sind Geleitworte und Anmerkungen von einigen auftretenden Dirigenten und Solisten wie Karl Böhm, Jörg Demus und Dietrich Fischer-Diskau zu finden.
Neben der beschriebenen Festschrift enthält der Bestand der Stadthistorischen Bibliothek weitere Medien zum Internationalen Beethovenfest 1970, beispielsweise die Gesamtprogramme zu jeweils jedem Zyklus (I k 44-Be-1970-) und die „Festschrift des Bonner General-Anzeigers zum Internationalen Beethovenfest“ (I g 2838).
Weiterhin sind im Bestand des Archivs und der Stadthistorischen Bibliothek Konzertprogramme ab 1845 zu finden. Der dazugehörige Bestand K (Bibliothek) wird momentan aufgearbeitet.
September 2020: Der Geburtstag von Gerhard Sachsse jährt sich zum 100. Mal
Am 3. September 2020 jährt sich der Geburtstag des Fotografen Gerhard Sachsse zum 100. Mal. Geboren in Lengerich, aufgewachsen in Kattenvenne und Herborn, zog seine Familie nach dem frühen Tod des Vaters 1931 nach Bonn, zunächst in das Haus seines Großvaters an der Königstraße 2b – von diesem Haus machte er im Alter von zwölf Jahren seine ersten Fotografien, die er auch in späteren Jahren stolz in ein Erinnerungsalbum klebte. Ab 1934 lebte die Familie in der Weberstraße 27, wo auch sein Sohn Rolf, Autor dieser Zeilen, seine ersten beiden Lebensjahre verbrachte.
Nach einer recht turbulenten Schulzeit, in der er bereits unermüdlich als Amateurfotograf unterwegs war und seine Bilder auch an die Stadt Bonn zu verkaufen suchte, wurde Gerhard Sachsse 1940 zur Wehrmacht eingezogen, in der er unter anderem als Filmvorführer diente. Prägend dürfte für ihn ein Einsatz des Sommers 1943 gewesen sein: Er konnte als Assistent den berühmten Fotografen Albert Renger-Patzsch bei der Dokumentation niederrheinischer und westfälischer Bauernhöfe begleiten. 1945 kehrte er mit einer schweren Verwundung der linken Hand aus dem Krieg zurück, was ein angestrebtes Studium als Architekt ebenso verhinderte wie die Fortsetzung seines geliebten Cello-Spiels.
Von 1945 bis 1946 absolvierte er bei den Bonner Fotografierenden Hans Frei und Käthe Augenstein seine Lehre, danach arbeitete er als Geselle bei Paulus Belling, bis er Ende 1949 seine Meisterprüfung im Fotografenhandwerk ablegte – als Schüler musste ich in der Rubrik des väterlichen Berufs immer ins Klassenbuch eintragen: Lichtbildmeister.
Nach zwei Jahren als Leiter der fotografischen Dienste an der US-amerikanischen Mission in Bonn-Plittersdorf konnte Gerhard Sachsse sich 1951 mit einem eigenen Handwerksbetrieb selbständig machen, in der zweiten Etage der Sternstraße 78 über der Gastwirtschaft „Zum Gequetschten“ (heute wieder „Elefant“). Neben dem täglich anfallenden Geschäft aus Porträts sowie Pass-, Hochzeits- und Kinderbildern begann er unverzüglich mit der Arbeit, die ihm am meisten zusagte: Er dokumentierte den Wiederaufbau der Bundesrepublik, insbesondere den Wohnungs- und Sozialbau.
Ab 1953 konnte er für das Bauministerium und seine nachgeordneten Verwaltungen sämtliche staatlich geförderten Wohnbauten in der Bundesrepublik fotografieren; in gleicher Weise nahm er alle Neubauten in Bonn und Bad Godesberg auf. Aus diesen frühen Aufnahmen hat er für den Haushaltsplan der Stadt Bonn für das Jahr 1953 ein Deckblatt entworfen, das in einer Collage alle Wohnbau-Typen der Stadt vorführt, von der Eigenheim-Siedlung bis zum Wohnhochhaus.
Möglicherweise hat er sich beim Schrifttitel von einem Grafiker helfen lassen; die genauen Umstände der Entstehung dieses Blatts sind nicht mehr rekonstruierbar.
Selbstverständlich hat Gerhard Sachsse den Bau und die Ausstattung der Beethovenhalle mit seinen Fotografien begleitet, von Anfang an über die Konzerte im Rohbau bis zur Fertigstellung und der Illustration mehrerer Festschriften zum Bau aus den Jahren 1959 bis 1962. Immer wieder stieg er auf das Dach der nahegelegenen Stadtwerke und nahm den Bau von oben auf; immer wieder wurden größere Teile der Familie an einem schönen Sonntagmorgen auf der Gartenanlage vor dem Gebäude verteilt und mittels Trillerpfeife wie größeren Armbewegungen an bildnerisch wichtige Positionen verteilt.
Auf dem hier gezeigten Bild spielt meine Schwester mit dem Kindermädchen, das auf einem Steinblock ziemlich genau in der Bildmitte sitzt, während ich in kurzen Hosen an dem anderen Steinblock knapp vor dem gläsernen Foyer stehe; die anderen Personen gehörten zu unserem weiteren Bekanntenkreis oder waren Mitarbeiterinnen des Fotostudios mit ihren Kindern. Eine Variante dieses Bildes war bis in die 1990er Jahre in vielen deutschen Eisenbahnzügen als schmaler Bildstreifen zwischen Kopfstützen und Gepäckregal zu sehen.
Die so genannte Bauwirtschafts-Krise der Bundesrepublik in den Jahren 1966 und 1967 brachte einige wirtschaftliche Schwierigkeiten für das Atelier „Foto Sachsse“, das daraufhin weitgehend auf Gesellschaftsfotografie, Kunstreproduktionen und das stets vorhandene Porträtgeschäft umgestellt und zudem in der Zahl der Mitarbeitenden reduziert wurde. Gerhard Sachsse engagierte sich bereits seit den späten 1950er Jahren berufspolitisch, von Funktionen in der Innung bis hin zur Mitbegründung einer europäischen Fotografierenden-Vereinigung „Europhot“ und von speziellen Arbeitskreisen für Porträtfotografie, ebenfalls auf europäischer Ebene.
Zum 1. Januar 1983 verkaufte er das Unternehmen an Stefan Schickler (1957-2020), 1994 zog er mit seiner Frau Erika (1929-2020), die ebenfalls eine Lehre als Fotografin absolviert hatte, nach Sankt Augustin. Dort ist er am 6. Mai 1998 verstorben. Das Unternehmen „Foto Sachsse“ existiert weiterhin und wird von Andreas Sartor in der Bonner Friedrichstraße betrieben. Sowohl sein persönlicher Nachlass als auch der seines Handwerksbetriebs wird heute im Stadtarchiv Bonn aufbewahrt.
Von Gastautor Rolf Sachsse
Oktober 2020: 1870: Französische Kriegsgefangene in Bonn
Ein ganz unspektakuläres Schreiben von Polizeikommissar Carl Muss an Oberbürgermeister Leopold Kaufmann vom 7. November 1870 erinnert an ein fürchterliches Kriegsgeschehen, das vor dem Hintergrund der Ungeheuerlichkeiten des 20. Jahrhunderts ein wenig in Vergessenheit geraten ist.
Mit diesem Schreiben berichtet der Bonner Polizeichef, dass die von dem Bonner Schuhmachermeister Gustav Weise - seine Werkstatt befand sich im Haus Poppelsdorfer Allee 6 - „erbetenen“ sieben französischen Kriegsgefangenen eingetroffen seien. Offenbar waren sie aus einem Lager auf der Wahner Heide bei Köln nach Bonn gebracht worden. Dem Schreiben beigefügt war eine Liste der Gefangenen mit Angaben zu Name, militärischem Rang und Herkunft. Untergebracht waren sie in der Herberge zur Heimat in der Sürst, nahe beim Bonner Münster, die 1854 von evangelischer Seite als Unterkunft für durchreisende Handwerksgesellen errichtet worden war.
Jener Krieg von 1870/71, auch Deutsch-französischer Krieg genannt, begann am 19. Juli 1870 mit der französischen Kriegserklärung; dieser Krieg bedeutete einen weiteren Höhepunkt im jahrhundertealten deutsch-französischen, immer wieder als Erbfeindschaft bezeichneten Gegensatz.
Konkreter Auslöser der neuerlichen Auseinandersetzung war die Kandidatur des aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen stammenden Prinzen Leopold II. für den spanischen Königsthron. Gegen diese Personalie protestierte Frankreich, da es strategische Nachteile befürchtete. In der berühmten, vom preußischen Ministerpräsidenten Bismarck autorisierten und an die Presse lancierten Emser Depesche wurde dieser französische Protest in einer von französischer Seite als Demütigung aufgefassten Formulierung veröffentlicht, was die Kriegserklärung zur Folge hatte.
Zahlreiche blutige Schlachten waren die Folge; die kriegsentscheidende wurde am 2. September 1870 bei der Stadt Sedan ausgetragen, in deren Verlauf der französische Kaiser Napoleon III. in Kriegsgefangenschaft geriet. Am 28. Januar 1871 wurde der offizielle Waffenstillstand vereinbart. In Frankreich war die Monarchie zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschafft, und am 18. Januar 1871 war im Spiegelsaal von Schloss Versailles der preußische König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser ausgerufen worden. Dieser Akt bedeutete gleichzeitig die Gründung des dann 1918 mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg untergegangenen Deutschen Reiches.
Es war übrigens durchaus üblich und wurde schließlich 1907 in der Haager Landkriegsordnung auch niedergeschrieben, dass gefangene Soldaten und Unteroffiziere zur Arbeit herangezogen werden konnten. 1870/71 waren schätzungsweise 8.000 deutsche und 400.000 französische Soldaten in Kriegsgefangenschaft geraten. Die Beschäftigung von sieben französischen Kriegsgefangenen in der Werkstatt des Bonner Schuhmachers Weise ist übrigens das einzige Dokument dieser Art, das sich in der Überlieferung des Bonner Stadtarchivs erhalten hat (einsehbar unter der Signatur Pr 1101). Wie lange sie in Bonn Schuhe reparieren oder herstellen mussten und wann sie wieder nach Hause zurückkehren durften, verschweigen die Quellen. Überhaupt haben sich nur vergleichsweise wenige Unterlagen zu diesem Krieg erhalten; in zu weiter Entfernung tobte dieser Krieg, der auf deutscher Seite etwa 41.000 und auf französischer etwa 139.000 Tote forderte.
Das 1877 auf dem Alten Friedhof enthüllte, von Albert Herrmann Küppers gestaltete „Kriegerdenkmal“ erinnert an die 146 dort bestatteten Soldaten.
November 2020: 150 Jahre Postkarten
Die Postkarte feiert dieses Jahr ihren 150. Geburtstag; ihre Einführung am 1. Juli 1870 gilt als Geburtsstunde der Postkarte in Deutschland. Damals noch als "Correspondenz-Karte" bezeichnet, ersetzte die deutsche Reichspost diese im Jahre 1872 durch die offizielle Bezeichnung „Postkarte“.
Die später auch unter dem Begriff „Ansichtskarte“ offen lesbare Mitteilung wurde sofort ein voller Erfolg. Die Postkarte trug auf der Vorderseite die Adresse des Empfängers sowie die Briefmarke, während sie auf der Rückseite beschrieben war, wodurch das Postgeheimnis aufgehoben wurde. Die analoge Kurznachricht wurde zum absoluten Renner. Bereits am Tag des offiziellen Verkaufsstarts wurden in der deutschen Reichshauptstadt Berlin mehr als 45.000 „Correspondenz-Karten“ verkauft. Um 1900 wurden schließlich fast eine Milliarde Postkarten zugestellt. Das neue Kommunikationsmedium war “in“ – es war Mode, Postkarten zu verschicken. Die schnellen Kurznachrichten wurden zum Welterfolg. Da in den Großstädten die Post mehrmals am Tag ausgeliefert wurde, erreichte die Karte den Empfänger meist in wenigen Stunden und günstig war sie auch, denn das Porto kostete nur halb so viel wie beim Brief.
Was die Geschichte der Philokartie betrifft, so ist die Postkarte als neue Form der schriftlichen Kommunikation ursprünglich eine deutsche Erfindung. Bereits im Jahre 1865 hatte der deutsche Postreformer Heinrich von Stephan die Idee, den teuren Brief um eine preisgünstige Variante zu ergänzen: Das „offene Postblatt“ schlug er als einfache und günstige Mitteilungsform, als eine Alternative zum Brief, vor. Da nun der Inhalt auch für andere einsehbar war, sahen Kritiker die Privatsphäre des Empfängers gefährdet, sie äußerten ihre Besorgnis um das Briefgeheimnis und befürchteten wohl nicht zuletzt vor allem sinkende Einnahmen. Besonders wurde auch die „unanständige Form der Mitteilung auf offenem Postblatt“ beanstandet. Man fürchtete, die Postkarte werde einen Sittenverfall in deutschen Landen nach sich ziehen und von Stephans Vorschlag wurde verworfen. Doch das neue Medium entsprach dem Zeitgeist und die Idee wurde schließlich von Österreich-Ungarn aufgegriffen. Dort war man weniger prüde und führte die Postkarte vier Jahre später - nämlich im Oktober 1869 - mit der Bezeichnung „Correspondenz-Karte“ ein. Ganz zu Anfang waren diese Karten noch unbebildert.
Letztendlich konnte von Stephan seine bahnbrechende Idee dann doch noch ein Jahr später in Deutschland umsetzen und führte hier die „Correspondenz-Karte“ im Sommer 1870 ein.
Als erste deutsche Postkarte gilt gemeinhin diejenige des Oldenburger Druckers und Buchhändlers August Schwartz, die dieser am 16. Juli 1870 nach Magdeburg verschickte - mit einem Bildchen bedruckt, zeigt sie oben links einen Kanonier auf dem Schlachtfeld.
Bereits in den 1870er-Jahren wurde das neue Kommunikationsmedium zum populären Bildträger weiterentwickelt. Anfangs wurde die Anschriftenseite der Postkarte mit kleinen Zeichnungen oder gedruckten Bildern versehen, doch die Größe des Bildes war hier sehr begrenzt, da die Lesbarkeit der Anschrift nicht beeinträchtigt werden durfte. Mehr Bildraum bot dagegen die Mitteilungsseite, weshalb die Karten dort seit den 1880er-Jahren in halber Postkartengröße mit Bildern versehen wurden. Der Konflikt zwischen Bildschmuck und Mitteilungsbedürfnis auf der Ansichts- und Textseite löste schließlich 1905 die bahnbrechende Neuerung – den Teilungsstrich - aus. Die Teilung der Adressseite erfolgte in zwei Abschnitte: Rechts war Raum für die Adresse des Empfängers und die linke Seite war für schriftliche Mitteilungen vorgesehen, womit die Rückseite nun vollständig dem Bild zur Verfügung stand.
Die topographische Postkarte mit Ansichten von Orten oder Landschaften findet bis heute am häufigsten Verwendung. Die Themen der Postkarte sind darüber hinaus sehr vielfältig: Gruß- und Glückwunschkarten, Politik, Kunst, Sport, Vergnügungsorte, Liebe, Erotik und Humor. Die Postkarte übernimmt unter anderem die Funktion als berichtendes Medium – sie zeigt nicht nur Bilder von technischen Errungenschaften, sondern auch Abbildungen von Katastrophen, wie Brände oder Unfälle. Bei dramatischen Geschehnissen wurden sofort Ansichtskarten davon gedruckt. So wie heute Fotos und Nachrichten von wichtigen Ereignissen über Social Media verbreitet werden, wurden früher Postkarten verschickt. Die Postkarten sind nicht zuletzt deshalb heute wichtige „Kulturobjekte“, die die Vergangenheit in Bildern eingefangen haben und die den historischen Wandel der Zeit dokumentieren. So ist die Postkartensammlung des Bonner Stadtarchivs gerade als geschichtlicher Aussageträger mit ihren über 17.000 Postkarten ein gefragtes kulturgeschichtliches Dokument, das den Wandel der Zeit von 1882 bis zur Gegenwart darstellt.
Das Sammeln von Ansichtskarten hat in Deutschland Tradition. So gibt es in Deutschland seit langem Philokartisten, die Postkarten sammeln. Bereits 1894 wurde in Hamburg der erste „Sammelverein für illustrierte Postkarten“ gegründet und mit der Farbigkeit der Ansichtskarten Ende des 19. Jahrhunderts stieg ihre Beliebtheit als Sammelobjekt noch weiter. Die Jahre 1895 bis 1918 gelten als Blütezeit der Postkarte: Allein im Ersten Weltkrieg wurden rund zehn Milliarden Stück verschickt. In den 50er- bis 80er-Jahren beförderte die Deutsche Bundespost jährlich um die 900 Millionen Ansichtskarten, doch seit den 90er Jahren ist die Tendenz fallend - 2019 waren es dann nur noch 147 Millionen.
Dezember 2020: Ludwig van Beethovens Taufe am 17. Dezember 1770
Das Geburtsdatum von Ludwig van Beethoven ist nicht bekannt. Seinerzeit gab es noch keine Standesämter, lediglich die Kirchen vermerkten die Spendung des Taufsakraments in entsprechenden Kirchenbüchern. So auch bei dem späteren großen Komponisten, dessen Taufe in der Bonner Pfarrkirche St. Remigius für Montag, den 17. Dezember 1770 registriert wurde.
Um das Seelenheil der Neugeborenen nicht zu gefährden, wurden Kinder in der Regel recht bald nach der Geburt getauft. Wir dürfen daher vermuten, dass der kleine Ludwig am Tag zuvor, es war der dritte Adventssonntag des Jahres 1770, der Sonntag Gaudete (Freuet Euch), das Licht der Welt erblickt hatte.
Es ist davon auszugehen, dass Ludwig in der Wohnung seiner Eltern, im Hinterhaus der Bonngasse 20, im Herzen der kurfürstlichen Haupt- und Residenzstadt Bonn, zur Welt gekommen ist. Seine Eltern waren Maria Magdalena (1746-1790) und Johann van Beethoven (1739/40-1792). Die Mutter stammte aus Koblenz, sie war die Tochter des kurtrierischen Oberhofkochs Johann Heinrich Keverich. Der Vater war Musiklehrer und Sänger am kurfürstlichen Hof in Bonn, er war der Sohn des kurfürstlichen Hofkapellmeisters Ludwig van Beethoven (dem Älteren) (1712-1773), der 1733 aus dem heutigen Belgien nach Bonn gekommen war.
Die genauen Umstände der Geburt sind nicht bekannt. Der knappe Taufeintrag im Kirchenbuch der Pfarrei St. Remigius nennt den Namen des Täuflings, das Datum der Sakramentenspendung, die Namen der Eltern (wobei als der Vorname der Mutter irrtümlich Helena notiert wurde) und die Namen der beiden Taufpaten. Bei ihnen handelt es sich um den Großvater Ludwig sowie um Gertrud Müller, genannt Baums, eine Nachbarin aus der Bonngasse. Sie war die Ehefrau des späteren kurfürstlichen Kellermeisters Johann Baum. Zu welcher Uhrzeit die Taufe stattgefunden hat und wer möglicherweise zur Taufgesellschaft gehörte, ist nicht überliefert. Die Mutter des Neugeborenen wird nicht dazugehört haben; sie hatte als Wöchnerin noch einige Tage das Bett zu hüten. Es gibt Hinweise, dass die Taufpatin im Anschluss an die kirchliche Zeremonie zu einer kleinen Feier eingeladen hat.
Die Pfarrkirche St. Remigius war eine von vier Bonner Pfarrkirchen, und zwar die mit dem größten Sprengel. Das Kirchengebäude selbst stammte im Kern aus dem Mittelalter, durch An- und Umbauten war es im Lauf der Jahrhunderte immer wieder verändert worden. Die Kirche, die 1807 wegen Baufälligkeit niedergelegt wurde, stand gegenüber der Einmündung der Acherstraße in die Remigiusstraße auf dem heutigen Remigiusplatz. Erhalten hat sich der Taufstein der alten Remigiuskirche, über dem Beethoven die Taufe empfing; sie wurde in die frühere Kirche der Minoriten in der Brüdergasse überführt, die seit 1806 – anstelle der alten Remigiuskirche - als Pfarrkirche dient.
Der Taufeintrag ist das erste Lebenszeichen des bedeutenden Musikers, die erste Spur, die er in seinem 56-jährigen Leben (er starb am 26. März 1827 in Wien) hinterlassen hat.
Das Kirchenbuch mit dem Taufeintrag Ludwig van Beethovens gehört zu den Beständen des Bonner Stadtarchivs. Es handelt sich um einen 454 Seiten umfassenden Folianten, der die Tauf- und Heiratseinträge der Pfarrei St. Remigius von Oktober 1765 bis April 1776 beinhaltet.
Am gleichen Tag wie der große Ludwig van Beethoven wurde auch das Kind Maria Anna Hupperich in St. Remigius getauft. Die Familie wohnte in einem der Armenquartiere der Stadt. Im Gegensatz zu Ludwig van Beethoven, einem der bekanntesten und berühmtesten Menschen überhaupt, weiß man nichts über das Leben der Maria Anna Hupperich.